Verhandlungen des Deutschen Bundestages vom 20.-25.03.1958, Dr. Adolf Arndt (SPD)
[BT S. 855]
1953-61 Vorsitzender des Arbeitskreises Rechtswesen der SPD-Fraktion
"Der nahezu unwiderrufliche Schritt in eigene atomare Ausrüstung der Bundesrepublik und ihrer Bundeswehr, das ist es, worum es sich hier und heute handelt."
[BT S. 856]
"Diese Taktik des allmählichen Hineingleitens- immer mit der besänftigenden Einschläferung, es sei ja eigentlich gar nichts geschehen, noch nichts unwiderruflich- steigerte sich zuletzt bis zur Erklärung des Bundesverteidigungsministers, bis zum 3. April dieses Jahres- das ist ein paar Tage hin- müsse sich der Bundestag entschieden haben, ob die von den Vereinigten Staaten angebotenen 48 "Matadore" erworben werden sollen. Auch hierbei noch wird die Taktik des unentschiedenen Entscheidens weiter gepflegt und verfeinert. Man bezeichnet die "Matadore" als "unbemannte Flugkörper", obwohl man sehr wohl weiß, daß sie in den Vereinigten Staaten von Amerika durchaus unter die Raketen eingereiht werden. Man spricht von einem besonderen Typ, der bis zu 400km lenkbar und auch begrenzbar sei; aber man weiß, daß diese Geräte bis zu 1000km maximale Reichweite haben. Man gibt sich den Anschein, als handle es sich um eine moderne Ausgestaltung schwerer Flak; in Wahrheit sind diese Geräte für atomaren Sprengstoff geplant und nur durch diesen wirkungsvoll und auf so große Entfernung treffsicher. Sie sind genau im Sinne der Definition des Brüsseler Abkommens geeignet, mit atomaren Sprengstoff versehen zu werden. Schließlich wird immer im Zuge dieser Taktik gesagt, das sei nur zur Ausbildung. Als ob Ausbildung und Ausrüstung noch unterscheidbar wären!"
[BT S. 859]
"Die Entscheidung für eine atomare Ausrüstung der Bundesrepublik kann mit hoher, mit schrecklicher Wahrscheinlichkeit die eigene Entscheidung gegen die Wiedervereinigung sein."
[BT S. 859]
"Uns selber aber sind die Augen geöffnet, und wir können nicht mehr sagen, daß wir nicht wissen, was wir tun, wenn wir die Hand danach ausstrecken. Uns sollte auch nicht die leichte Annahme beruhigen, die Anwendung der Massenvernichtungsmittel erschöpfe sich in ihrer Unabwendbarkeit, ihr Dasein würde sich gegenseitig aufheben, als ob sie gerade deshalb nicht da wären. So billig kommen wir nicht davon. Oder weshalb behauptet man sonst die angebliche Unvermeidlichkeit, dem Gleichgewicht des Schreckens auch noch das eigene Pfund hinzuzutun? Und wer bürgt gegen die Katastrophe aus menschlichem Irrtum oder technischem Versagen?"
[BT S. 860]
"Ja, wenn die Katastrophe kommt, dann ist es sowieso ganz gleichgültig, ob wir bewaffnet sind oder nicht!"
Quelle:
[BT] Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 3. Wahlperiode, Stenogrphische Berichte Band 40, Bonn 1958